Frauen in einer IT-Ausbildung oder einem IT-Studium sind noch immer eine Seltenheit. Quasi ein Fabelwesen, ein Einhorn. Das habe ich während meines dualen Studiums der Wirtschaftsinformatik mit integrierter Ausbildung zur Fachinformatikerin (Anwendungsentwicklung) über die letzten drei Jahre festgestellt. In den meisten Ausbildungsklassen waren ein oder zwei, teilweise aber auch gar keine jungen Frauen vertreten. Meine eigene Klasse mit einem Frauenanteil von einem Drittel war eine absolute Ausnahme. Eine ähnliche Verteilung habe ich bereits während meiner Schullaufbahn in der Informatikklasse und später im Informatik-Leistungskurs erlebt.
Was führt also dazu, dass sich Mädchen und junge Frauen für oder gegen Informatik oder einen anderen technischen Beruf entscheiden? Bei mir war es der Zufall, und das scheint ein häufiger Grund für die Wahl eines technischen Berufs zu sein. Einige folgen einem Vorschlag aus ihrem Umfeld, andere möchten aus reiner Neugierde herausfinden, was sich hinter dem Schulfach oder einem Beruf im Bereich Informatik verbirgt. So habe auch ich mich für das Wahlpflichtfach Informatik in der Mittelstufe entschieden. Ich war sofort begeistert davon, dass durch Programmcode und gegebene Technologien ein fester Rahmen für das Lösen von Problemen geschaffen werden konnte und dennoch Raum für Kreativität blieb. Deshalb habe ich das Fach im Abitur als Leistungskurs gewählt und schließlich auch eine Ausbildung im IT-Bereich absolviert.
In meinem Abschlussprojekt der Ausbildung wollte ich mich dann unbedingt mit Qualitätssicherung und Testen beschäftigen, da in diesem Themengebiet die erstellte Softwarelösung noch einmal aus anderen Perspektiven betrachtet wird. Passenderweise wurde in einem Kundenprojekt meines Ausbildungsbetriebs, der S&N Invent GmbH (einem Partner von Red Hat), eine CI/CD-Pipeline für die Testautomatisierung benötigt, der ich mich annehmen konnte. Eine der Herausforderungen bestand darin, mich während des Projektzeitraums zunächst in Docker, Red Hat OpenShift und das Erstellen von Pipelines einzuarbeiten. Ohne vorherige Berührungspunkte schienen mir diese Themen sehr herausfordernd und umfassend. Deshalb bin ich ihnen zunächst mit einem Übermaß an Respekt begegnet, obwohl Containerisierung und Cloud inzwischen zum IT-Standard gehören.
Bei der Themenfindung ist mir jedoch Folgendes aufgefallen: Das ist genau die Ansicht, die auch viele Frauen in meinem privaten Umfeld zu IT-Berufen haben. Das Unbekannte anzugehen, erfordert Mut. Doch vielen Mädchen wird seit ihrer Kindheit suggeriert, dass sie vorsichtig sein sollen. Dabei gibt es keine rationalen Gründe, warum sich Frauen nicht auch mutig komplizierten oder herausfordernden Berufen stellen sollten. Wenn ich andere Frauen und mich selbst kritisch betrachte, dann wollen wir oft alles von Beginn an perfekt machen. Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass niemand zu Beginn eines Bildungswegs oder eines Lernprozesses das Thema bereits beherrschen muss – schließlich wäre der gesamte Prozess dann hinfällig. Aus diesem Grund habe ich das Thema nicht abgelehnt, sondern mich mit der Hilfe erfahrener Kollegen erfolgreich eingearbeitet. Mein Mut hat sich ausgezahlt: Mein Abschlussprojekt wurde hervorragend bewertet und ich habe meine Ausbildung als Kammerbeste meines Ausbildungsberufes abgeschlossen.
Überall auf der Welt erbringen Frauen ebenso exzellente Leistungen in der IT wie ihre männlichen Kollegen. Schlagen wir den Bogen noch mal in Richtung der Ausgangsfrage: Woran liegt es also, dass Frauen oder andere Personengruppen in der IT noch immer unterrepräsentiert sind, und welchen Mehrwert hat eine Veränderung? Der entscheidende Punkt findet sich schon in der Fragestellung: Repräsentation. Damit ist gemeint, inwiefern Frauen als Akteurinnen in IT-Berufen auf IT-Bildungswegen für zukünftige Interessentinnen sichtbar sind. Fehlende Repräsentation bestärkt vorhandene Stereotypen sowie bewusste und unbewusste Vorurteile. Der MINT-Bereich gilt generell als schwierig, komplex und nach wie vor häufig als „Männerberuf“. Dabei kann bereits ein Beispiel oder Vorbild ausreichen, um dieses Bild zu ändern und vermeintliche Berührungsängste zu überwinden. Solche Vorbilder sind mir auf meinem Bildungsweg eher selten begegnet. Eine Frau hat mich jedoch wesentlich geprägt: Die Lehrerin meines Informatik-Leistungskurses. Sie hat uns den Lehrstoff mit außerordentlicher Begeisterungsfähigkeit vermittelt und mich in meiner Berufswahl wesentlich bestärkt. Zudem profitierte ich inhaltlich im gesamten ersten Lehrjahr von ihrem großartigen Unterricht.
Vorbilder prägen uns und zeigen, was möglich ist. Wenn wir uns bewusst machen, was möglich ist, sinken auch die Hemmungen, einen bestimmten Berufsweg einzuschlagen. Genau aus diesem Grund folgte ich im Herbst 2024 einer Einladung der Universität Paderborn. Während der dort veranstalteten Schnuppertage für Studieninteressierte hatte ich in einer offenen Runde die Gelegenheit, den anwesenden Mädchen Fragen zur Berufswahl im Bereich IT zu beantworten. Diese Möglichkeit habe ich gerne wahrgenommen, um Vorbehalte abzubauen, von meiner eigenen Erfahrung zu berichten und um Unterstützung anzubieten, genau wie ich sie erfahren durfte.
Solange Frauen aufgrund von fehlendem Zutrauen und Stereotypen IT-Berufe gezielt meiden oder nur zufällig einen solchen Beruf ergreifen, wird es schwierig sein, den Frauenanteil in der Branche zu erhöhen. Dabei profitieren Projektteams immens von Diversität und den vielfältigen Perspektiven, die damit einhergehen. Allein deshalb sollte ein besseres Gleichgewicht in der Geschlechterverteilung (nicht nur in der IT) angestrebt werden. Und das funktioniert nur, wenn Berufe und Vorbilder für junge Menschen sichtbar sind und fortlaufend sichtbar gemacht werden. Deshalb möchte ich mich in Zukunft weiter dafür einsetzen, die Sichtbarkeit von weiblichen Vorbildern in der IT zu erhöhen. Denn mein persönlicher Weg und der vieler anderer Frauen zeigen, dass die Inspirationskraft dieser Frauen der Schlüssel zum Erfolg ist.
Über den Autor
Marina Kleine hat ein ausbildungsintegriertes Studium der Wirtschaftsinformatik mit der S&N Invent GmbH als Partnerunternehmen absolviert und arbeitet nun dort als Junior Consultant. Sie befasst sich im Rahmen der Qualitätssicherung mit Testautomatisierung und der Integration verschiedener Technologien wie Red Hat OpenShift und Jira in die Automatisierung. Außerdem setzt sie sich dafür ein, dass Frauen in der IT und anderen technischen Berufen besser vertreten sind.
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